Die Bremer Stadtmusikanten
Das Original Märchen
Lesedauer:
8 Minuten



Esel, Hund, Katze und Hahn werden Stadtmusikanten und vertreiben Räuber aus einem Haus, in dem sie fortan wohnen.

Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen, so dass er zur Arbeit immer untauglicher wurde. Da wollte ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte, dass kein guter Wind wehte. So lief er fort und machte sich auf den Weg nach Bremen. „Dort“, dachte er, „kannst du ja Stadtmusikant werden“. Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jaulte wie einer, der sich müde gelaufen hat.“ „Nun, was jammerst du so, Hund?“, fragte der Esel. „Ach“, sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde, auch auf der Jagd nicht mehr mithalten kann, hat mich mein Herr tot schlagen wollen, da hab ich Reißaus genommen. Aber womit soll ich nun mein Brot verdienen“? „Weißt du was“, sprach der Esel: „ich gehe nach Bremen, um dort Stadtmusikant zu werden. Geh mit und probiere es auch mit der Musik. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken.“ Dem Hund gefiel die Idee - und sie gingen weiter.
Es dauerte nicht lange, so saß eine Katze am Weg und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist dir in die Quere gekommen, alter Bartputzer“, sprach der Esel. „Wer kann da lustig sein, wenn's einem an den Kragen geht“, antwortete die Katze. „Weil ich nun in die Jahren komme, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herum jage, hat mich meine Frau ersäufen wollen. Ich habe mich zwar noch davongemacht, aber nun ist guter Rat teuer. Wo soll ich hin“? „Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik. Da kannst du ein Stadtmusikant werden.“ Die Katze hielt das für gut und ging mit. Darauf kamen die drei Geflohenen an einem Hof vorbei. Da saß auf dem Tor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein“, sprach der Esel, „was hast du vor“? „Da hab ich der lieben Hausherrin gutes Wetter prophezeit“, sprach der Hahn, „weil sie Wäsche waschen und sie trocknen will. Zum Dank und nur weil morgen am Sonntag Gäste kommen, hat sie der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen - und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, so lang ich noch kann.“ „Ei was, du Rotkopf“, sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall. Du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muss das ankommen.“ Dem Hahn gefiel der Vorschlag und sie gingen alle viere zusammen fort.
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum. Die Katze und der Hahn machten sich hinauf. Der Hahn aber flog bis in die Spitze, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um, da kam es ihm so vor, als sehe er in der Ferne ein Fünkchen brennen und rief seinen Gesellen zu, es dürfte nicht all zu fern ein Haus sein. Denn es scheine ein Licht. Da sprach der Esel: „so müssen wir uns aufmachen, und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht“. Und der Hund sagte: „ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran, täten mir auch gut.“ Nun machten sie sich auf den Weg in Richtung, wo das Licht her kam, und sahen es bald heller schimmern. Und es wurde immer größer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. „Was siehst du, Grauschimmel“, fragte der Hahn. „Was ich sehe“, antwortete der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken. Und Räuber sitzen daran und lassen es sich gut gehen“. „Das wäre was für uns“, sprach der Hahn. „Ja, ja, ach, wären wir da drinnen“, sagte der Esel. So beratschlagten die Tiere, wie sie es anfangen müssten, um die Räuber wegzulocken. Bis sie schließlich einen Weg fanden. Der Esel musste sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken, die Katze auf den Hund klettern, und am Schluss flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie zusammen auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen. Der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte. Dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, dass die Scheiben klirrten. Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe, meinten nichts Anders als ein Gespenst käme herein und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übrig geblieben war - und aßen, als wenn sie vier Wochen hungern sollten.
Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlafstätte, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Türe, die Katze auf den Herd zur warmen Asche. Und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken. Und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie auch bald ein. Als Mitternacht vorbei war und die Räuber von weitem sahen, dass kein Licht mehr im Haus brannte und alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: „wir hätten uns doch nicht ins Bockshorn jagen lassen sollen“, und ließ einen hingehen, um das Haus zu untersuchen. Der Abgeschickte fand alles still, ging in die Küche, ein Licht anzuzünden. Und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für glühende Kohlen ansah, hielt er ein Streichhölzchen daran, damit es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spaß, sprang ihm ins Gesicht, fauchte und kratzte. Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hintertüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biss ihn ins Bein. Und als er über den Hof am Misthaufen vorbei rannte, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß. Der Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war, rief vom Balken herab: „Kikeriki“. Da lief der Räuber, so schnell er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach: „ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt. Und vor der Türe steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen. Und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungetüm, das hat mit einer Holzkeule auf mich eingeschlagen. Und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: „bringt mir den Schelm her“. Da machte ich, dass ich fortkam.“ Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus. Den vier Bremer Musikanten gefiel es aber so gut darin, dass sie nicht wieder heraus wollten. Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.
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© Kati Winter